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Psychodrama

 



Psychodrama ist eine Methode der Humanistischen Psychotherapie und

Beratung.   siehe: www.aghpt.de

In der Humanistischen Psychotherapie spielen die

- humanistische, also respektvolle, partnerschaftliche und achtsame Gestaltung der Patient-

  Therapeut-Beziehung

- Emotionsfokussierung, also eine Konzentration auf

   z.B. freudige, traurige Gefühle oder Angst- und Schuldgefühle

- Ressourcenzentriertheit, also die Hervorhebung innerer Kraftquellen bzw.

  gesunder Anteile

- Körperorientiertheit, also die Hinlenkung z.B. auch auf Mimik, Gestik, Körperhaltungen

  und Körperempfindungen

eine besondere Rolle.

 

Zur Bedeutung des Begriffs "Psychodrama":

 

„Psyche“ bedeutet Seele,

 

„Drama“ bedeutet Schauspiel, auch Handlung

 

(beide Begriffe entstammen der griechischen Sprache).

 

 Psychodrama ist somit eine

 

"HANDLUNGSORIENTIERTE" und "SZENISCHE Methode",

 

die ganzheitliche  Zugänge und intensives Erleben ermöglicht.

 

In diesem Sinne wird im Psychodrama nicht nur – wie z.B. in der Psychoanalyse – gesprochen, sondern auch "gehandelt" bzw. Situationen oder Bilder des eigenen Lebens in Szene gesetzt. 

 


Alle Ausdrucksformen psychischen Befindens können dabei gewählt werden. 
Die/der Psychodrama-Leiter/in ermutigt die TeilnehmerInnen, KlientInnen, PatientInnen sowohl zu verbaler als auch zu nonverbaler Kommunikation.

 

Körpersprache, d.h. Mimik, Gestik, Intonationen der Stimme, Variationen von Körper-Haltungen und Bewegungen, Nähe- und Distanz-Verhalten können entfaltet werden.

 

In der Psychodrama - Psychotherapie werden zunächst Alltagssituationen, 
in improvisierter Form – ähnlich wie in einem „Stegreif-Theater – dargestellt und sichtbar gemacht.

 

Ein Teil des Therapie-Raums wird  zu einer Bühne, wo in einer Art "Halb-Realität" dann auch Erlebnisse der Kindheit und Jugend in Bildern und Szenen zur spontanen Darstellung Kommen.

 

Die in all diesen dargestellten Situationen auftretenden Konflikte, Ängste, auch Hoffnungen und Wünsche werden dann anschaulicher und greifbarer als noch so "blumenreiche" Worte.

 

Im Psychodrama zeigen wir uns - oft authentischer als im Alltag.

 

Spontan das, was uns bewegt, in Szene zu setzen befreit uns von der Möglichkeit,

 

unser Verhalten, unsere Worte zu kontrollieren, was im Alltag oft notwendig und hilfreich ist.

 

In diesem Zustand einer "Spontaneitätslage" sind wir offen und erleben oft ein inneres Erleben der "Weite".

 

Wir sind bereit für Veränderungen und Wandlungen, wir kommen in eine Verfassung der "Fluktuation".

 

Die Verfestigungen der Verhaltensmuster und Beziehungsmuster können ins Fliessen kommen.

 

Die PatientInnen bzw. KlientInnen  spielen dabei sowohl real erlebte Szenen aus der Kindheit und Jugend oder aus der jüngeren Vergangenheit als auch Szenen aus ihrer "Inneren Welt" der Phantasie, der Tag- und Nachtträume.

 

Immer aus dem Stegreif bzw. spontan, so als ob es im "Hier und Jetzt" wäre.

 

Dabei tritt oft das Phänomen auf, dass das "Muskel- oder Körpergedächtnis" (1)  aktiviert wird und wir uns durch bestimmte Bewegungen und / oder Konstellationen sogar an Erlebnisse aus dem 2. und 3. Lebensjahr erinnern können.

                                                                                                                              --

 

(1) auch Kinästhetisches Gedächtnis: Die Fähigkeit, Bewegungsabläufe und das Muster der dafür nötigen Muskelaktionen sozusagen als "Makro" im Gehirn abzuspeichern und bei Bedarf wieder aufzurufen; z.B. den Bewegungsablauf der Schreibhand bei der Schreibung einzelner Schriftzeichen, bestimmter Schriftzeichenfolgen oder auch ganzer Wörter.

                                                                                                                              --

 

Es werden ebenfalls Szenen, so wie es hätte sein können, oder sein sollen oder Wunsch-Szenen gespielt und damit  in einer sogenannten "Surplus - Realität" als sehr anregend und inspirierend erlebt.

 

Neue und oft überraschende Wege und Lösungen werden ebenfalls auf diese spielerische Weise entdeckt und dann auch erprobt. Handlungs-Einsicht oder Erkennen durch Handeln wird damit möglich.

 

Verschiedene Formen des "Rollentauschs" während des Psychodramas fördern sowohl spontane und kreative Handlungsfähigkeiten, als auch verfeinerte Ausdrucks- und Kommunikations-Fähigkeiten, vor allem Empathie bzw. Einfühlungsvermögen und sogenannte "Tele"-Fähigkeiten ("Tele,  Zwei-Fühlung bzw. wechselseitige Einfühlung").

 

Sich selbst mit den Augen der Anderen wahrzunehmen, wird von vielen als sehr bereichernd und oft heilsam erlebt. 

 

Die Psychodrama-Psychotherapie ist z.B. in Österreich eines der wissenschaftlich und staatlich anerkannten Psychotherapie - Verfahren.

 

In Deutschland wird Psychodrama in der Behandlung von PatientInnen in vielen Psychosomatischen Kliniken und sehr häufig in den stationären Suchtkranken-Einrichtungen angewandt.

 

Der Berufsverband Deutscher PsychologInnen (BDP) und mehrere Landesärztekammern haben Psychodrama als wissenschaftliches Psychotherapie-Verfahren anerkannt.

 

Auch in den  Arbeitsfeldern bzw.  Formaten "Bildung" und "Beratung" ist Psychodrama in Deutschland sehr verbreitet.

 


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Anhand von 5 Prinzipien versuche ich nun  die Psychodrama – Therapie ausführlicher zu erklären.




1. Das dramatische Prinzip

(Handlung, Schau - Spiel, Stegreif -Theater)



Der Begründer des Psychodramas der Arzt, Philosoph und Soziologe J.L.Moreno wollte die Probleme seiner Patienten nicht im sterilen Sprechzimmer anhören und verstehen, sondern am Ort des Geschehens, zum Beispiel in der Familie, am Arbeitsplatz, in der Freizeit, überall dort,wo die Probleme ( Konflikte, Kränkungen…) sich manifestieren.

Wie ist die LAGE ? Was hat diesen Menschen in diese Lage gebracht ?
Wie kann sie / er diese Lage ändern ?

Das waren die Fragen, die Moreno bewegten.

Dabei wurde Moreno von den Möglichkeiten des THEATERS, von Aristoteles, Goethe, Schiller, Shakespeareu.a. inspiriert.
Schon Aristoteles hatte erkannt, dass Schauspiele Zuschauer oft tief ergreifen und eine Katharsis – eine „Reinigung der Seele“,als Verwandlung der Leidenschaften zur Läuterung des geistigen Lebens neben den medizinisch-physiologischen Wirkungen einer Katharsis - auslösen, obwohl die Texte erdichtet sind und zu den Zuschauern und auch Darstellern in keiner direkten Beziehung stehen.

Shakespeares Motto: „Die ganze Welt ist eine Bühne“ regte Moreno sehr an und wurde für seinen Lebensstil richtungsweisend.

Goethe hatte das therapeutische Singspiel „LILA“ geschaffen. Goethe:

„eine psychische Cur, wo man den Wahnsinn eintreten läßt, um den Wahnsinn zu heilen.“

( Goethe, Brief an K.F. Grafen Brühl, 1. Okt.1818 )

Moreno sah darin einen Vorgriff auf sein Behandlungskonzept bei psychotisch erkrankten PatientInnen:

 Einen geschützten Raum schaffen, wo z. B. zunächst  spielerisch Wahnvorstellungen ausagiert werden können, gewisserweise auch

 ernstgenommen werden. Moreno betrachtete psychotische Zustände als Flucht in die Welt der Fantasie, der Abwehr überflutender  Ängste     

 dienend. So konnten sich viele PatientInnen in seiner Klinik in Beacon in den 1930` iger Jahren allmählich von psychotischen Zuständen   

 Schritt für Schritt während einer intensiven mehrmonatigen psychodramatischen Behandlung befreien, bzw. allmählich spielerisch einen

 angstfreieren Zugang zur Realität  entwickeln.



Moreno wagte einen innovativen Schritt, neben seiner Tätigkeit als Arzt, Hausarzt und Psychiater in freier Praxis und auch als Betriebsarzt, schuf er eine besondere Bühne, er gründete 1921 in Wien ein

 

STEGREIF – THEATER.
Dort machte er entscheidende Erfahrungen mit einem „Theater der Improvisation“, indem alle Zuschauer im Hier und Jetzt zu MitspielerInnen werden können
Diese Erfahrungen von Stegreif – Spielen - des gleichzeitigen, gemeinsamen und wechselseitigen Handelns und Erlebens aller Anwesenden.- zeigten grosse Wirkungen. Auf diese Weise realisierten sich Anfängeechter Begegnunggenauf Grundlage der aus der Tiefe des Unbewussten aufsteigenden Affekte. Bislang unbewusster Ängste, Wünsche oder Phantasien wurden (be-)greifbar.
Dadurch kam er zu der entscheidenden Erkenntnis :

„Stegreif lässt das Unbewusste unversehrt durch das Bewusstsein frei steigen“.

Moreno sah nun auch die fundamentale These Friedrich Schillers zur Frage des Spiels
bestätigt :

„Denn um es endlich einmal herauszusagen, der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Wortes Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“

(Schiller, F.: Die ästethische Erziehung des Menschen.In: Sämt. Werke, Bd.12,15. Brief)
.
Aus der Verknüpfung dieser und weiterer Erfahrungen entwickelte er in den USA der dreissiger Jahre das Psychodrama als eigenständige Psychotherapie-Methode.

Psychodrama war für Moreno :

„die totale/umfassende Verwirklichung der Psyche durch die Handlung/Darstellung, die totale Produktion von Leben, Tiefenproduktion, nicht nur Tiefen-Analyse wie in der Psychoanalyse"...

Er verstand  das Psychodrama sowohl als Weiterentwicklung der Psychoanalyse als auch als „Anti-Thesis“ zur Psychoanalyse.Als Erweiterung des individuellen Unbewussten ( Freuds ) und des kollektiven Unbewussten ( Jungs ) erkannte Moreno die Existenz des „CO-UNCONSCIOUS“, der GEMEINSAMEN UNBEWUSSTEN ZUSTÄNDE,

eben der Menschen in einer gemeinsam erlebten / erleideten Lage. 

Dabei betonte er das Phänomen des sogenannten positiven Tele, als das, was die Menschen verbindet, während die vorhandenen Übertragungen und Projektionen menschliche Beziehungen letztlich (zer-) stören und dem Zerfall preisgeben würden.


Er entwickelte eine spielerische, interpersonale und dramatische Therapieform,

ebenfalls ein dazu passendes interpersonales Rollen-Pathologie-Konzept auf das Individuum bezogen,

schließlich soziometrische Methoden zur Untersuchung der emotionalen Tiefen – Struktur von Gruppen.


Abschließend sei ein weiterer Grundsatz der Psychodrama – Therapie genannt :

“PSYCHODRAMA, Eine Einladung zur Begegnung. Aus Übertragung und Gegen-Übertragung soll TELE werden“.


2. Das „wahre zweite Mal“ und „integrative Katharsis“
(Szene – Hologramm, Internalisierung von neuen Szenen)

Zum Teil analog zum psychoanalytischen Therapie – Modell - Erinnern / Wiederholen / Durcharbeiten - und auch unter Einbeziehung auch verhaltenstherapeutischer Modelle bezeichnete Moreno in einem Vortrag in Beacon 1960 das Psychodrama als „Prozeß des
Tuns, Löschens und Neutuns (Doing, Undoing and Redoing)“, also auf Grundlage der als Start notwendigen ERWÄRMUNG als
- Ausspielen der Szene, wie sie war,
- Löschen der Szene durch Konkretisierung, Maximierung und kathartische Freisetzung
bislang blockierter Energie
- Neudarstellung der Szene und Ausspielen eines neuen Skripts.

Die darin enthaltene wesentliche Grundannahme seines Behandlungskonzeptes formulierte Moreno schon 1924 in seinem Buch über das Stegreiftheater wie folgt:

„Die Personen spielen sich wie einst aus Not in selbstbewusster Täuschung dasselbe Leben vor. Der Ort des Konfliktes und seines Theaters ist gleich. Sein und Schein werden gleichnamig und gleichzeitig. Sie wollen das Sein nicht mehr überwinden, sie bringen es hervor. Sie wiederholen es. Sie sind souverän; nicht nur als Scheinende, sondern auch über ihr eigenes Sein. Wie könnten sie es sonst noch einmal gebären? Denn so viel tun sie. Das ganze Leben wird entfaltet, seine gegenseitigen Verwicklungen, im zeitlichen Zusammenhang, kein Augenblick ist gelöscht“…doch „diese Aufrollung des Lebens im Schein wirkt nicht wie ein Leidensgang, sondern bestätigt den Satz: jedes wahre zweite Mal ist die Befreiung vom ersten“ (Moreno 1924, S. 76 f).

Das „wahre zweite Mal“ Morenos ist eine totale Erfahrung, in der die ganze Lebenswirklichkeit im Hier- und- Jetzt des Spiels in einem schöpferischen Akt realisiert wird. Das Erinnern, das auch im Schema Freuds „Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten“ eine so bedeutende Rolle spielt, steht auch im Ansatz Morenos zentral.
Er nimmt damit neben aktuellen Anlässen auch „Verursachung“ von Pathologien in der Vergangenheit an. Traumatische Szenen müssen aufgefunden und korrektiv durchgespielt oder in ihrer Bedeutung verändert werden. Der „Evokation“ derartiger Szenen kommt deshalb im therapeutischen Procedere große Bedeutung zu.

Hilarion Petzold versucht 1982 diesen Prozeß theoretisch neu zu begründen.
Er bezieht sich dabei auf die „holographische Theorie des Gedächtnisses“von Pribram.
( vgl. Pribram 1974 )
Der Begriff der Szene als raum – zeitlicher Konfiguration wird dem des Hologramms gleichgestellt. Szenen sind ganzheitlich gespeicherte Gedächtnisinhalte, die durch Auslösereize in aller Erlebnisintensität evoziert werden können. Sie werden „gegenwärtig gesetzt“. Szenenfolgen werden als „Skripte“ verstanden. Aus ihnen bildet sich der persönliche Lebensstil eines Menschen. Sozialisation wird auf der Grundlage derartiger Überlegungen als
Internalisierung von Szenen und Szenensequenzen betrachtet (Petzold 1982, 168 f).

Folglich ist Therapie als Prozeß der Neusozialisation zu verstehen, durch den neue Szenen im Gedächtnis des Patienten verankert werden. Es geht dabei auch um mehr als um Einsicht, es geht um Integration und um kreative Neusetzung von existenziellen Möglichkeiten durch das Spiel.


3. Das sozialpsycholgisch-soziometrische Prinzip


Im Psychodrama wird das Individuum immer im Zusammenhang seines sozialen Netzwerkes
gesehen, als „soziales Atom“.
Das soziale Atom umfasst alle Personen, die mit einem Klienten in emotionaler Beziehung stehen, in eine solche eintreten möchten oder zu denen dieser Mensch eine Beziehung aufnehmen will. Es gibt nur den mit anderen Menschen verbundenen Menschen. Ein Mensch ohne diese Verbindung zu anderen Menschen ist für Moreno „sozial tot“.
Im Zuge dieses sozialpsychologischen Denkens war es Moreno nicht mehr möglich, den Klienten als ein von seiner Umgebung isoliertes Individuum zu therapieren. Er suchte daher neue Wege zur Behandlung des zwischenmenschlichen Systems bzw. seines jeweiligen Symptomträgers. Von Anfang an stand für ihn fest, daß diese Therapie in handelnder Auseinandersetzung des Klienten mit seiner Lebenswelt stattfinden muß. Da eine solche interaktionelle Auseinandersetzung mit den realen Personen des sozialen Atoms meistens nicht durchführbar ist, wird sie im Psychodrama mittels szenischer Darstellung in der Gruppe ermöglicht.

Als Hilfs- Ich, Doppel, Spiegel usw. werden die Klienten selbst zum „therapeutischen Wirkfaktor“ der anderen Klienten.
Um diese Mitarbeit zu optimieren, ist es für den psychodramatisch arbeitenden Therapeuten wichtig, die Soziometrie der Gruppe, deren emotionale Tiefenstruktur, ständig im Auge zu behalten.


4. Die „Surplus Reality“

Surplus Reality war die ursprünglichste Quelle der Inspiration für Moreno. Er benutzte das Wort Surplus, um eine Extra- Realität zu beschreiben, welche die nicht berührbaren, die unsichtbaren Dimensionen, die die unbewussten intrapsychischen und interpersonalen Aspekte menschlicher Existenz beinhaltet.
Moreno sagte: “Als ich diesen Begriff prägte, war ich von Marx` Konzept des Mehrwerts beeinflusst. Der Mehrwert ist der Teil des Verdienstes eines Arbeiters, welcher ihm von dem kapitalistischen Arbeitgeber gestohlen wird. Surplus Reality ist jedoch im Gegenteil nicht der Verlust, sondern die Bereicherung von Realität durch die Investition und die ausgedehnte Verwendung von Imagination“ (J.L. Moreno,1965).
Dadurch ist nach Morenos Konzept Surplus Reality ein Modus der Erfahrung, welcher über die Realität hinausreicht. Er sagte: “Es ist ein häufiges Missverständnis, Psychodrama bestehe nur aus dem Ausspielen von Episoden aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, welche erfahren und verstanden werden innerhalb des Gesamtrahmens der Realität. Es gibt im Psychodrama einen Modus der Erfahrung, welcher über die Realität hinausreicht, welche dem Protagonisten eine neue und erweiterte Erfahrung der Realität ermöglicht“ (J.L. Moreno, 1965).
Die Wahrheit der Psychodrama - Surplus Reality ist eine sehr persönliche, subjektive Darlegung (vgl. Kellermann 1992). Für die Therapie bedeutet das, zu entdecken und aufzudecken, was für den Protagonisten in seiner eigenen, subjektiv phänomenalen Welt im Hier und Jetzt „wahr“ ist, das Finden der eigenen persönlichen Wahrheit, und das eigene Ich zu bestätigen.
In der Surplus Reality lösen sich die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zwischen Tag und Nacht auf. Surplus Reality verbindet die Welt der Phantasie und der Realität.
Moreno sprach in seinem Schöpfer- Konzept darüber, dass der Mensch sich frei bewegen kann, wenn er Grenzen überschreitet und nicht nur eine adäquate Lösung sucht, sondern eine ihm unbekannte Welt begrüßen könne.
Dann ist der Protagonist im schöpferischen Sinne in der Lage, der Schöpfer des eigenen Scriptes und der Darsteller des eigenen Scriptes zu sein.


5. Das „Als- Ob“- Prinzip und die Imagination


Die gesamte Philosophie des Psychodramas beruht auch auf der Annahme, dass der Mensch mit der Fähigkeit ausgestattet ist, sich eine Phantasie so vorzustellen,als obsie Realität wäre, dann- und- dort,als obes hier- und- jetzt wäre, oder mich,als obich du wäre. „Das Psychodrama ist ein Weg die Welt zu ändern im unmittelbaren Hier und Jetzt, mit Hilfe der Regeln der Einbildungskraft, ohne in die Abgründe der Illusion, der Halluzination und Täuschung zu fallen“ (Moreno, 1969).Das Drama, die Hypnose und das Spiel, ja jedes imaginative Geschehen, wendet sich an dieseAls- ob-Fähigkeit. Das Vermögen, „als ob“ zu sagen, zu denken und zu fühlen, und die Fähigkeit, seinen geistigen Zustand zu verwandeln, wird von verschiedenen Psychotherapieschulen unterschiedlich benannt:z.B. Trance, Suggestion, Tagträume, primärprozeßhaftes Denken, freie Assoziationen, Regression im Dienste des Ich, Meditation.
Der „Als- ob“- Begriff ist nicht synonym mit Kreativität, Spontaneität oder Erwärmungsprozeß. Er ist nur eine charakteristische Form von Spontaneität.
Moreno (1972) nennt „als- ob“, ohne das Wort selbst zu verwenden, die „dramatische Qualität“.
„Es ist die Qualität, die Gefühlen, Handlungen und verbalen Äußerungen, die lediglich Wiederholungen altbekannter Erfahrungen sind, Neuheit und Lebendigkeit verleiht…
Diese Form von Spontaneität hat offensichtlich große praktische Bedeutung in der Energetisierung und Vereinheitlichung des Selbst…“ Sie transformiert oft unzusammenhängende automatenhafte Handlungen zu echten Selbstausdruck.
Sie wirkt wie Kosmetik für die Psyche.“ (S. 89- 90)
Die „Als- ob“- Fähigkeit erwärmt den Protagonisten, steigert seine Energie und macht ihn empfänglich und offen für Veränderung. Je intensiver die „Als- ob“- Fähigkeit, umso offener ist der Protagonist für neue Inspirationen.
Empathie ist die Anwendung des „als- ob“ in sozialem Verhalten ( „als ob ich Du wäre“),
im Psychodrama im Rollentausch oft realisiert..
Bei einem"Als - Ob- Verhalten" lässt der Protagonist absichtlich seine Realitätsprüfung weg und akzeptiert spielerisch die imaginierte Phantasie als Quasi – Realität ( Semi – Realität). Es ist eine kontrollierte, intentionale, temporäre und partielle Regression im Dienste des Ich.